Qualitätswein?
Es war einmal ein Winzer. Er arbeitete immer kostenbewusst. Deshalb ließ er seine Trauben maschinell von einem Vollernter in vollreifem Zustand lesen. Die Welschrieslingtrauben wurden von der Maschine in einen Traubenwagen gekippt. Um Oxidation während der Fahrt ins Weingut zu verhindern, streute der Winzer Schwefel auf die Oberfläche und ein Tannin. Im Weingut angekommen wurden die Trauben sodann mittels eingebauter Schnecke in die Presse gepumpt. Nach 2 Stunden Presszeit und 75% Ausbeute war der Most im Vorklärtank angekommen. Das Wetter war im Jahresverlauf zwar nicht sehr heiß gewesen, aber um den Wein etwas spritziger zu machen, gab er gleich Weinsäure dazu. Außerdem ist der pH-Wert dann besser für die Gärung und das pektolytische Enzym, das er jetzt beimischte um die Trubstoffe effektiver zu entfernen. Eine Stunde später dann, nach dessen Wirkung, Gelatine, um die herausgepressten Gerbstoffe zu eliminieren. Über Nacht setzte sich der Trub im Tank nach unten und der Winzer erfreute sich über den klaren Most, den er von oben in einen Gärtank abzog. Der Trub wurde noch schnell durch einen Filter gepresst und der daraus klare Most noch in den Gärtank gedrückt. Nun machte der Winzer freudig einen Gäransatz mit einer fruchtfördernden Reinzuchthefe. 50/50 handwarmes Wasser und klarer Most in einen Kübel, Reinzuchthefe rein, 20 Minuten warten, von oben in den Gärtank. Fertig. Die automatisch gesteuerte Kühlung auf 18°C. Der Winzer freute sich, denn schon nach 48 Stunden war der Wein voll in der Gärung. Nun war die Zeit um Hefenährstoff einzurühren. Der stark vorgeklärte Most ist ja bekanntlich sehr nährstoffarm. Also 30 g/hl Diammoniumphosphat dazu. In etwas Wein verrühren und vorsichtig dazuschütten sonst schäumt der gärende Wein und alles geht über. Der Winzer kostete Tag für Tag, um den Fortschritt der Gärung zu kontrollieren und analysierte jeden Tag mit dem Biegelschwinger die abnehmende Dichte. Der gärende Wein hatte zu Beginn schöne grüne Apfel- und reife Birnennoten. Auch eine feine Exotik. In der Mitte der Gärung noch etwas Nährstoff für die Endgärung. Sicher ist sicher. Die Fruchtnoten wurden leider weniger. Am Ende der Gärung füllte er den Tank bis zum Überlaufen voll und mischte 50 mg/l Schwefel dazu, um den biologischen Säureabbau zu unterbinden. Alles so wie jedes Jahr seit 20 Jahren. Da die Kunden den neuen Jahrgang im November schon trinken wollen, filtrierte der Winzer den Wein mit einem Cross-Flow-Filter. Neuste Technik. Die zusätzliche Querströmung im Gerät hält die Filtermodule länger frei. Mehr Leistung. Die Hefe samt Trubstoffen war weg und der Winzer freute sich über das funkelnde Naturwunder im Glas. Schwefel auf 40 ´freie´eingestellt, 3 g/l Restzucker aus Traubensaftkonzentrat dazu und zur Prüfnummer eingereicht. Der Wein roch zwar mittlerweile mehr nach Schwefel als nach Frucht, aber in der Flasche würde sich das schon legen. Eine Woche später freute sich der Winzer über die bestandene Qualitätsweinprüfung. Österreichischer Qualitätswein also. Stolz trank er mit dem Nachbarwinzer rechts seinen Wein und auch der Wein des Nachbarn wurde probiert, der genauso schmeckte. Was für ein Jahrgang. Metaweinsäure zur Weinsteinstabilisierung rein und in die Flasche gefüllt.
Im Nachbarhaus links gehen komische Sachen vor sich. Was machen die da? Die Welschrieslingtrauben werden ein wenig früher gelesen um einen natürlichen Säuregehalt zu bewahren? Und von Hand in Lesekisten. Die guten Lagen in sehr kleine Kisten um die Trauben nicht zu zerquetschen. Welch ein Aufwand. Im Weingut werden die Trauben mit einem Drehkranz am Stapler in die Presse gekippt. Die kleinen Kisten sogar von Hand. Sie dachte sich immer schon, dass das Pumpen den Trauben nicht gut tut. Schonend und über einen Zeitraum von dreieinhalb Stunden wird der Most aus den Trauben gepresst, ohne viel Scheitern. Die Ausbeute lag bei ca. 65%. So genau nimmt sie das eh nicht. Der Most wurde in ein Holzfass gepumpt. Spundvoll, um Oxidation zu vermeiden. Weiß die nicht, dass frische Weißweine im Edelstahltank vergoren werden müssen? Nach über einer Woche erst setzte die Gärung natürlich ein. Spontangärung also. Die Gärung verlief diesmal sehr langsam. Die Winzerin kostete alle drei Tage um den Fortschritt zu schmecken. Alles in Ordnung. Die Aromatik wandelte sich von Mal zu Mal. Neben den fruchtigen Komponenten kamen Kräuter, Mineralik und Würze hinzu. Gegen Ende der Gärung, drei Monate nach der Lese, füllt die Winzerin das Fass bis zum Überlaufen voll. Einmal in der Woche kostete sie den Wein und freute sich über die Aromatik, die sich immer wieder in einem anderen Licht zeigte. Der biologische Säureabbau war mit der Gärung schon fertig, was der Aromatik noch zusätzliche Tiefe gab. Was für ein Jahrgang. Der Wein klärte sich über die Wintermonate von alleine. Im April des Folgejahres filtrierte die Winzerin den Wein schonend über einen Schichtenfilter, gab 10 mg/l Schwefel hinzu und ab zur Prüfnummer. Abgelehnt. Begründung: nicht gebietstypisch und fehlerhaft.
Diese Geschichte ist frei erfunden.